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Dorf aus Stoff

lodenweltDass die Umfahrung Vintl jetzt mit grünem Loden tapeziert wurde, sorgt nicht nur für Staunen, sondern auch für Ärger. Wie aus einer Gewerbezone zuerst ein Dorf und dann eine Kunstinstallation wurde.

von Silke Hinterwaldner

Bis Freitag 13.00 Uhr war die Umfahrung bei der Lodenwelt in Vintl nur einspurig befahrbar. Der Grund: An den Lärmschutzwänden wurden lange, grüne Stoffbahnen aufgehängt. Darauf prangt der Namen „Lodenwelt“. An der Unterführung selbst klebt zudem ein großes grünes Pflaster, das auf die Einfahrt zu den Geschäften hinweist.

„Wir haben lange gekämpft und uns gewehrt“, sagt Manfred Profanter, „das ist jetzt eine Aktion, die aus der Not heraus geboren wurde.“ Dass nun viele aus den unterschiedlichsten Gründen dagegen Sturm laufen, ärgert den Unternehmer aus Vintl.

Ein Blick zurück: Dort, wo heute die Lodenwelt steht, gab es früher die Hosenfabrik Pantex, die vielen aus der Umgebung einen Arbeitsplatz garantierte – bis die Fabrik kurzerhand zugesperrt wurde. Danach grübelte man lange darüber nach, wie man diesen Standort bei Niedervintl neu beleben könnte. Schließlich entstand ein Gewerbepark, im Mittelpunkt stand der Lodenwirt, dessen Betreiber Profanter ist. Dann trat auch noch Heiner Oberrauch auf den Plan und legte den Grundstein für die Lodenwelt, ein Museum, eine Bar, ein Geschäft und später auch noch eine Feinkäserei.

Alles direkt an der Pustertaler Straße gelegen. Auch wenn die urbanistischen Feinheiten oft zu Diskussionen führten, wurde die Lodenwelt zumindest aus unternehmerischer Sicht ein Erfolg. Dann aber kam die Umfahrung. „Irgendwann“, ärgert sich Profanter heute noch, „haben sie uns einfach die Straße weggetan. Wir wollten diese überflüssige Umfahrung nicht.“ Mittlerweile aber gibt es in der Zone fast 250 Arbeitsplätze, viele Geschäfte und Büros, die Expansion sollte weitergehen. Aber mit der Eröffnung der Umfahrung blieb wie befürchtet die Kundschaft aus. Der Umsatz ging um 20 bis 40 Prozent zurück.

Das ließ bei Profanter und Oberrauch freilich sämtliche Alarmglocken schrillen. Die Vorarbeit war bereits geleistet: 2014 war die Gewerbezone zur fünften Fraktion von Vintl erhoben worden. Man schuf kurzerhand einen neuen Ort, der den Namen „Lodenwelt“ tragen durfte – offiziell war dies notwendig geworden, um eine neue Bushaltestelle vor dem Lodenwirt schaffen zu können.

Aber jetzt kann man noch andere Früchte ernten: Die Beschriftung in großen Lettern direkt an den Lärmschutzwänden ist nur deshalb erlaubt, weil sie sich auf den Ortsteil bezieht und nicht auf die Unternehmen. Mit diesem Trick will man in Vintl wieder mehr Kundschaft in die Gewerbezone locken.

Umgekehrt aber ärgern sich viele darüber. „Warum darf der Oberrauch direkt an der Straße Werbung für sein Geschäft machen?“ fragt sich ein Geschäftsmann, der anonym bleiben will. Und ein anderer sagt: „Für die Lodenwelt sperren sie sogar für mehrere Tage die Straße, das kann doch nicht sein.“ Er fügt noch hinzu: „Ganz zu schweigen von den Geschäftsausfällen, die andere deshalb haben.“

Auch Manfred Profanter selbst hat man bereits mit Schadenersatzklagen gedroht. Aber er wischt alle Bedenken vom Tisch. „Wir kämpfen hier um Arbeitsplätze und Betriebe“, sagt er, „dass jetzt noch viele Neider kommen und uns Schaden zufügen wollen, ist unterste Schublade.“ Profanter ist überzeugt davon, dass in Wahrheit die Unternehmer in der Lodenwelt die echten Leidtragenden sind: Man hatte in der Bauzeit der Umfahrung teilweise keine Zufahrt. Und mit den Lärmschutzwänden sind die Betriebe dahinter aus dem Blickfeld der Autofahrer verschwunden. Dabei brauche man in der Lodenwelt nicht nur Stammkundschaft, sondern auch Zufallskunden.

Lange hat man in Vintl nach einer Lösung für die wirtschaftlichen Probleme gesucht. Noch einmal hat man schließlich in die Trickkiste gegriffen: Um die Stoffbahnen an der Straße aufhängen zu dürfen, hat man einen künstlerischen Wettbewerb ausgeschrieben. So gilt die Inschrift jetzt nicht als Werbung für die Betriebe, sondern fällt in die Kategorie „Kunst am Bau“. Oberrauch und Profanter haben dafür rund 300.000 Euro beigesteuert.

 

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