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Rispolis Lobeshymne

bramante-rispoli-mayr-gerichtGiancarlo Bramante wird wohl neuer Leiter der Staatsanwaltschaft Bozen. In der Ernennungskommission erhielt er fünf Stimmen, sein Konkurrent Markus Mayr lediglich eine. Wie die Entscheidung zustande kam.

Von Thomas Vikoler

Das war verdächtig. Wenn eine Kommission eine Entscheidung drei Mal verschiebt, hat sie ein größeres Problem zu lösen. Ein Ei, auf das von verschiedener Seite Druck ausgeübt wird. Erfahrungsgemäß geht der Personalauswahl für wichtige Posten durch den Obersten Richterrat (CSM) eine intensive Lobbyarbeit voraus.

In diesem Fall – es geht um die Nominierung des neuen Bozner Oberstaatsanwalts – war sie besonders intensiv.

Gestern schließlich wurde das Ei geöffnet. Mit einer Überraschung: Giancarlo Bramante, stellvertretender Staatsanwalt am Landesgericht Bozen, erhielt von der sechsköpfigen Ernennungskommission fünf Stimmen, sein Konkurrent Markus Mayr, seit sieben Jahren stellvertretender Oberstaatsanwalt in Bozen, eine Stimme.

Eine eindeutige Vorentscheidung im Hinblick auf die definitive Ernennung des Wettbewerbssiegers durch das Plenum des CSM, die in rund zwei Wochen erfolgen soll. Bereits jetzt kann man sagen: Aufgrund des eindeutigen Votums in der Kommission wird der neue Bozner Oberstaatsanwalt Giancarlo Bramante heißen.

Das war so nicht zu erwarten, denn Markus Mayr befindet sich seit sieben Jahren in einem Führungsamt, als beigestellter Oberstaatsanwalt befand er sich gewissermaßen im Vorzimmer zum Chef-Posten. Die nachgewiesenen Fähigkeiten, das leitende Amt im Bozner Tribunal zu übernehmen, sind das einzige Kriterium in diesem Wettbewerb. Das Dienstalter wurde vor einigen Jahren als Auswahlkriterium gestrichen.

Zuletzt wurde eine Position in der sechsköpfigen Kommission neu besetzt. Der Forza-Italia-Abgeordnete Alessio Zaccaria rückte nach. Es schaute danach aus, als würden die Chancen von Favorit Mayr steigen. Doch dem war nicht so. Gestern stimmte lediglich ein Kommissionsmitglied für ihn. Die übrigen Mitglieder gaben ihre Stimme Giancarlo Bramante.

Bramante gehört, anders als Mayr, einer Strömung der nationalen Richtervereinigung, nämlich Magistratura Indipendente, an. Die Zugehörigkeit zu einer der „correnti“ in der Richterschaft ist für den Fortgang einer Berufskarriere wichtig, war in diesem Fall aber nicht entscheidend.

Das war das Zeugnis, das Guido Rispoli, bis Juni Bozner Oberstaatsanwalt, über Giancarlo Bramante ausgestellt hat. Eine wahre Lobeshymne mit der Hervorhebung der Führungsqualitäten und besonderen Eignung des Bewerbers.

Konkurrent Mayr hatte sich ebenfalls um ein Führungszeugnis des inzwischen als Generalstaatsanwalt in Campobasso tätigten Ex-Oberstaatsanwalts bemüht. Vergeblich. Einer der kolportierten Gründe dafür: Rispoli soll verärgert über die mangelnde Unterstützung Mayrs für die Anklage gegen Alt-Landeshauptmann Luis Durnwalder gewesen sein.

Das Dienstzeugnis für Mayr stellte am Ende Paul Ranzi, Generalstaatsanwalt am hiesigen Oberlandesgericht, aus. Eine eher nüchterne Angelegenheit.

Einer der Hintergründe des nun entschiedenen Duells ist ein persönlicher Konflikt zwischen Rispoli und seinem Amtsvorgänger Cuno Tarfusser (nun Richter beim ICC in Den Haag) der zuletzt in einem Hickhack um die Teilnahme Tarfussers an einem Umtrunk nach dem Freispruch Durnwalders gipfelte. Tarfusser setzte sich in Rom für Mayr ein, offensichtlich mit wenig Wirkung.

Bramante, der designierte Leiter der Staatsanwaltschaft Bozen, ist fünfzig Jahre alt und seit rund 15 Jahren im Bozner Tribunal tätig. Zuvor wirkte er als Staatsanwalt am (inzwischen abgeschafften) Bezirksgericht. Sein vermutlich größter Fall war bisher die Doping-Ermittlung zur Causa Alex Schwazer, er ist Leiter der Arbeitsgruppe für Wirtschaftskriminalität.

Mayr, der die Staatsanwaltschaft seit dem vorzeitigen Abgang Rispolis interimistisch leitet, zeigte sich am Donnerstag enttäuscht über den Ausgang der Abstimmung. Dass das Plenum des Obersten Richterrates die Empfehlung der Kommission umkehrt, davon geht auch er nicht aus.

Ob er weiter als Vize-Oberstaatsanwalt unter dem jüngeren Giancarlo Bramante tätig sein wird, wird sich zeigen.

Zweifellos hat die Nominierung auch einen ethnopolitischen Hintergrund. Mit Ausnahme von Cuno Tarfusser gehörten die bisherigen Bozner Oberstaatsanwälte immer der italienischen Sprachgruppe an. Es handelt sich um einen der letzten wichtigen Führungsposten – neben jenen bei Polizei, Carabinieri und Heer -, die in Südtirol für Italiener erreichbar sind. Nach der Übernahme des „Alto Adige“ durch die Athesia-Gruppe wäre ein Verlust des Oberstaatsanwalts für sie ein weiterer Markstein für den schwindenden Einfluss.

 

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