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Shopping in der Unterwelt

Waffen, Drogen, Pädophilie: Wie das Darknet zum virtuellen Schwarzmarkt für Kriminelle wurde – und auch bei Südtirolern dunkle Triebe weckt.

Von Anton Rainer

Irgendwie hatte man sich den Zugang in die dunklen Seiten des Netzes schwieriger vorgestellt: Ein paar Klicks, ein Verschlüsselungs-Programm und eine seltsam anmutende Adresse reichen aus, um vor einer schier unüberschaubaren Menge an Pulvern, Pillen und Pistolen zu sitzen. Wer hier shoppt, wartet nicht auf Sommerschlussverkäufe – und weiß in der Regel genau, wonach er sucht. Auch Ali David S., der Todesschütze von München, hatte seine Waffe im Darknet besorgt. Die TAGESZEITUNG erklärt, was es mit den virtuellen „Seidenstraßen“ auf sich hat – und warum Anonymität im Netz dennoch Sinn machen kann.

Was sind eigentlich Darknet-Märkte?

Anders als Online-Börsen wie eBay oder Amazon sind Darknet-Märkte grundsätzlich anonym. Wer auf ihnen handeln will, braucht spezielle Programme, die den Zugang zu einer Art alternativem Internet ermöglichen. Wo bekannte Websiten mit Endungen wie .de oder .it Rückschlüsse auf das Land zulassen, aus dem sie operieren, enden typische Darknet-Märkte mit dem Kürzel .onion.

Onion? Wie die englische Zwiebel?

Ein Hinweis darauf, wie die verschlüsselten Märkte angesteuert werden können. Statt Safari oder Internet Explorer verwenden Darknet-Nutzer einen sogenannten „Tor-Browser“, der die Identität seiner User wirkungsvoll verschleiert und Spuren über hunderte Knotenpunkte verwischt. „Die Kommunikation funktioniert wie bei einer Zwiebel über sehr, sehr viele Schalen“, erklärt der Klausner IT-Experte Christoph Moar. Wer die Zwiebel wirklich schält, erfahren selbst Geheimdienste nur mit allergrößtem Aufwand.

Wie nutzen Kriminelle diese Verschlüsselung?

Indem sie Waffen, Drogen oder kinderpornographisches Material bestellen, Aktivitäten koordinieren oder Staatsangehörigkeiten billig verscherbeln. Derartige Supermärkte machen allerdings nur einen kleinen Teil der „Geheimen Dienste“ aus – und für die Nutzung von „The Onion Routing“ (Tor) gibt es noch viel mehr legitime Gründe: „Das reicht von anonymer Kommunikation in Diktaturen bis hin zu Facebook am Arbeitsplatz“, meint Christoph Moar. Der Preis für die Anonymität: Geschwindigkeiten, die zwecks Verschlüsselung hin und wieder an die 90er Jahre erinnern – und das schlechte Image der Darknet-Märkte.

Wie sehen diese Märkte aus?

Überraschend vertraut: Ähnlich wie eBay und Co. orientieren sich „dunkle“ Flohmärkte am Wettbewerb, bieten Kundenbewertungen und Preisvergleiche an. Unterschiede finden sich in erster Linie in der Bezahlung. Wer auf Plattformen wie der (mittlerweile neueröffneten) „Silk Road“ (Seidenstraße) oder „AlphaBay“ shoppen will, kann die Kreditkarte daheimlassen – bezahlt wird in der Regel in Bitcoins. Bezahlungen mit dieser sogenannten „Kryptowährung“ sind anonym, weil dezentral gespeichert und rein digital verfügbar. „Aber das“, so Christoph Moar, „ist bei MasterCard nicht wirklich anders.“ Bitcoins lassen sich zum Preis von derzeit rund 600 Euro erstehen, weshalb die meisten Zahlungsbeträge bei der zweiten Stelle hinter dem Komma beginnen. Gleichzeitig sind sie laut Informatik-Experten eine der größten Hürden im illegalen Online-Kauf. Wer sie nutzt, muss mit Kursschwankungen von bis zu 30 Prozent und langen Tansaktionszeiten leben – weil die Netzwerke schon jetzt überlastet sind. „Würden alle Verkäufer auf diese Währung umsteigen, würde sie kollabieren“, sagt Moar. In der Zukunft könnte sich das ändern.

Und die Polizei?

Die mischt bei Darknet-Märkten kräftig mit (siehe Kasten). Einerseits könnten Erstnutzer sich über „extrem viel Kinderpornographie und andere Dinge erschrecken“, meint der Klausner IT-Experte – andererseits sei auch nicht „alles wahr, was man sieht.“ Neben von Ermittlern bewusst als Lockangebote platzierten „Honigtöpfen“ würden „schlichtere Zeitgenossen“ im Darknet immer wieder um Kleingeld betrogen.

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