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„Zusperren ist zu wenig“

Das Hebammenkollegium reagiert auf die mögliche Schließung der Geburtenstation Sterzing: „Abschaffen allein ist zu wenig.“

Medienberichten zufolge soll ab 29. Juli die Geburtshilfeabteilung in Sterzing geschlossen werden. Das Kollegium der Hebammen in Bozen sieht sich veranlasst eine Stellungnahme dazu abzugeben.

Wenn politische Entscheidungen in Sachen Gesundheit getroffen werden, sollte es in erster Linie um Gesundheit gehen: um das wertvollste menschliche Gut. Bei der Entscheidung die Geburtshilfestationen an den peripheren Krankenhäusern zu schließen scheint der Aspekt der Gesundheitsförderung nicht im Vordergrund zu stehen. Wie sonst ließe es sich erklären, dass über Schließung verhandelt wird, ohne gleichzeitig Alternativen zu schaffen, die den Frauen und Familien Wahlfreiheit über das Betreuungsangebot rund um die Geburt geben?

Abschaffen und einfach zusperren ist zu wenig.

Das Kollegium der Hebammen hat bereits mehrfach bewährte Modelle von alternativer Geburtshilfe aufgezeigt, die sich mit wenig Aufwand auch in Südtirol realisieren ließen – auch als Alternative zur geschlossenen Geburtshilfestation in Innichen. Leider wurde bis dato keines dieser Modelle umgesetzt, wie etwa der Hebammenzentrierte Kreissaal für Frauen mit minimalem Risiko, was den Großteil der Gebärenden betrifft.

Ebenso ist die Versorgung durch Hebammen außerhalb der Krankenhäuser unzureichend. Weder gibt es eine flächendeckende Hebammenbetreuung im Territorium, noch gibt es in allen Gesundheitsbezirken Sprengelhebammen, die Frauen und Familien rund um die Geburt betreuen.

Wir fragen uns, warum das öffentliche Gesundheitssystem keine alternativen Geburtshilfemodelle umsetzt und die angekündigten Stellen für Hebammen im Territorium nicht ausbaut? Das wäre eine Investition im Sinne von Gesundheitsförderung. Flächendeckende Hebammenbetreuung zu garantieren bedeutet Unterstützung in der sensibelsten Phase von Familien, Hilfe für alle Frauen, die sich vor Ort betreuen lassen wollen.

Die Betreuung rund um Schwangerschaft und Geburt beeinflusst den Verlauf und den Ausgang der Geburt und entscheidet damit auch über gesundheitliche Faktoren, die prägend für das restliche Leben sind.

Wenn die finanziellen Überlegungen im Vordergrund stehen, sollten zumindest auch die langfristigen Kosten beachtet werden. Mit einer niederschwellig angesetzten Betreuung, mit kompetenten Ansprechpartnern vor Ort ließen sich Kosten reduzieren, auch weil Probleme schnell und gezielt gelöst werden können, bevor sie eskalieren.

Hebammenbetreuung hat maßgeblichen Einfluss auf den Verlauf von Schwangerschaft und Geburt: die Basis für einen guten Start in das Leben. Südtirol könnte ein Vorbild sein für andere Länder und Regionen mit einer neuen hebammenzentrierten Geburtshilfe.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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