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„Sehr skeptisch“

„Sehr skeptisch“

Das Lawinen- und Tiefschneeband „Find—me!“ wird als „lebensrettende Innovation“ vermarktet. Warum Bergführer diese Erfindung skeptisch sehen.

von Erna Egger

Die Zahl der Tourengeher und Variantenfahrer steigt und damit auch das Risiko, von einer Lawine verschüttet zu werden.

Nun ist ein neues, rotes Lawinen- und Tiefschneeband auf dem Markt, das die Sicherheit im alpinen Gelände zusätzlich erhöhen soll. „Find—me!“ wurde laut Angaben von „POLAK and friends“ in Salzburg gemeinsam mit erfahrenen Bergführern und Spezialisten entwickelt und wird in Österreich von der „EPM-sports GmbH“ vertrieben. Für die Schweiz, Deutschland und Südtirol werden gerade Vertriebspartner gesucht. Die Bänder sind im Sportfachhandel und online um 59 Euro erhältlich.

Die Hersteller vermarkten die Erfindung als „lebensrettende Innovation am Lawinen-Sicherheitsmarkt.“ „find—me!“ soll beim Suchen von Verschütteten in einer Lawine nützlich sein: Beim Abgang einer Lawine verlieren knapp 100 Prozent aller Verunglückten ihre Skier. In diesem Fall werden die Bänder aus einer kleinen, am Skischuh befestigten Tasche herausgezogen, wobei eine Sollreißstelle beim Verkeilen eines Skis eine Verletzung verhindert.

Die kurzen Bänder verbleiben am Ski, während die restlichen acht Meter am Skischuh befestigt sind und so den direkten Weg zum Verschütteten weisen. Die Hersteller propagieren: „Mit höchster Wahrscheinlichkeit bleibt ein Teil der Bänder an der Oberfläche der Lawine, und so können die ersten wichtigen Schritte zur Rettung sofort ganz intuitiv erfolgen. Die LVS-Geräte bzw. Piepser müssen entweder gar nicht oder nur noch im Nahbereich eingesetzt werden. Durch die Bänder wird auch die für Ungeübte schwierige LVS-Peilsignal-Ortung bei mehreren Verschütteten extrem erleichtert.“

Die Erfindung soll auch bei einem Sturz im Pulverschnee hilfreich sein: Durch das Band, das mit dem Skischuh verbunden bleibt, sei das Wiederfinden des Skis eine Leichtigkeit.

Welche Meinung haben hiesige Bergführer zu dieser Erneuerung? „Ich bin sehr, sehr skeptisch“, sagt Erwin Steiner offen heraus. Vor über zehn Jahren wurde der langjährige Bergführer ins Ausbildungsteam der Südtiroler Bergführer berufen, seit Anfang 2013 zeichnet er sich als Leiter für die Ausbildung der Südtiroler Berg-und Skiführer verantwortlich.
Er weiß, wovon er spricht. „Das Band ist nur ein minimaler Zusatz. In meinen Augen sind solche Dinge oft auch gefährlich: Es gibt mehrere solcher Zusatzausrüstungen, die Sicherheit suggerieren, die in Wirklichkeit nicht vorhanden ist. Alle diese Vorkehrungen ersetzen die Standardnotfallausrüstung samt LVS-Gerät, Schaufel und Sonde in keiner Weise“, warnt er.

Das Erste, das vor Jahrzehnten für mehr Sicherheit im freien Gelände erfunden wurde, war eine Lawinenschnur. Man hat dieses System aber wieder verworfen. „Das damalige System wurde mit diesem Band nur verfeinert“, stellt Steiner fest.

Er hält sich folgendes Szenario vor Augen: „Das Band ist acht Meter lang. Bei einer Lawinenverschüttung besteht die Gefahr, dass man zuerst, dem Band nachgehend, den Ski sucht und dann erst den Mensch. Um den Verschütteten genau zu lokalisieren, brauche ich immer noch das LVS-Gerät“, betont Steiner.

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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