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Thomas, der Schreckliche

Thomas, der Schreckliche

Dass der neue Generaldirektor des Sanitätsbetriebes bei Medikamenten und Knieprothesen sparen will, versetzt Patienten und Ärzte in Aufruhr: Die Verwaltung dürfe nicht klinische Entscheidungen treffen.

von Silke Hinterwaldner

„Es kann nicht sein“, sagt ein Krankenhausarzt, „dass sich ein Generaldirektor, der über keinerlei klinische Fähigkeiten verfügt, sich in klinische Entscheidungen einmischt.“ Er ist wirklich verärgert.

Der Grund: Seit Thomas Schael vor wenigen Monaten die Generaldirektion des Südtiroler Sanitätsbetriebes übernommen hat, fällt er immer wieder mit Statements auf, die Ärzte und Patienten in Aufruhr versetzen.

Schael hat es innerhalb kürzester Zeit geschafft, sich bei vielen höchst unbeliebt zu machen. Dabei, betont Schael, sei es doch seine Aufgabe, die Reform des Südtiroler Gesundheitswesens 2020 durchzusetzen (Thomas Schael selbst wollte gestern keine Stellungnahme zur anhaltenden Kritik abgeben, Anm. d. Red.).

Aber in welche Entscheidungsprozesse darf ein Verwalter sich einmischen und wann geht er zu weit? Um dieses Problem zu verdeutlichen, hat Schael selbst einen treffenden Vergleich geliefert. Knieprothesen gibt es zu einem Preis von 1.000 oder zu 2.000 Euro. Ist der Patient 70 Jahre alt, könne man die billigere nehmen, er habe nur noch eine Lebenserwartung von 15 Jahren – so ließ sich Direktor Schael zitieren.

Wenn Patienten so etwas hören, reagieren sie freilich besorgt. Wenn Ärzte so etwas hören, sind sie empört. „Das ist eine Einmischung in ärztliche Entscheidungen“, sagt Ivano Simioni, Psychiater und Sprecher der Ärztegewerkschaft VKS-BSK, „welche Therapie die richtige ist, muss der Arzt wissen. Wenn darüber Verwalter befinden, bekommen wir ein großes Problem.“

Aber Simioni möchte noch gar nicht allzu weit gehen mit seiner Kritik. Schließlich sei für Herbst ein Treffen mit dem neuen Generaldirektor anberaumt, bei dem man „derlei Missverständnisse“ hoffentlich aus dem Weg räumen könne.

Dabei ist der Prothesen-Vergleich längst nicht das einzige, was Ärzte oder Patienten stört. Helga Tommasini, Krebspatientin in Bozen, machte ihrer Empörung Luft, nachdem Generaldirektor Schael dafür plädiert hatte, gerade im Bereich der Onkologie auf kostengünstigere Medikamente zurückzugreifen.

Tommasini hat mit weiteren Krebspatienten einen offenen Beschwerdebrief verfasst, in dem sie beklagt, dass der neue Generaldirektor seine Kompetenz überschritten habe. Ganz zu schweigen davon, dass es für einen todkranken Menschen nicht unerheblich sei, ob er eine Woche mehr oder weniger leben würde. Ähnliche Proteste gab es von Hepatitis-C-Patienten oder aus den Geburtenabteilungen in den kleineren Krankenhäusern.

Dass Thomas Schael des Öfteren durch unqualifizierte Aussagen auffalle und einen blinden Einsparungswahn propagiere, hat auch Tony Tschenett von der Gewerkschaft ASGB beklagt. Wenn er ein Zeichen guten Willens setzen wolle, schlägt Tschenett vor, solle Schael doch bei sich selbst anfangen, und sein Jahresgehalt von 240.000 Euro auf 190.000 Euro kürzen. Es sei nicht gerechtfertigt, bei den Schwächsten und den Kranken zu sparen.

„Früher“, sagt Simioni, „hatte der Patient ein Recht auf die bestmögliche Behandlung. Jetzt scheint sich eine Haltung abzuzeichnen, wo das Geld bei klinischen Entscheidungen eine größere Rolle spielt. Das ist für uns irritierend.“

Aber freilich: Der Kostenfaktor spiele immer und überall eine Rolle, dessen seien sich auch die Ärzte bewusst. „Aufgrund von Ausbildung und Erfahrung“, fügt Simioni deshalb hinzu, „muss der Arzt in jeglicher Hinsicht die richtige Entscheidung treffen. Dem Patienten aus Kostengründen die beste Behandlung vorzuenthalten, ist aus ärztlicher Sicht ein Fehler.“

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