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Teure Erschließung

Teure Erschließung

Immer wieder ziehen Unternehmen vor Gericht, weil die BLS oder eine Gemeinde Erschließungskosten von ihnen eintreiben will. Dabei geht es stets um viel Geld.

von Heinrich Schwarz

Zugangsstraßen, Beleuchtung, Wasserleitungen, Strom- und Telefonnetz usw.: Die Erschließungsarbeiten in Gewerbegebieten sorgen für hohe Kosten, die zu einem gewissen Prozentsatz auf die angesiedelten Betriebe aufgeteilt werden. Für viele Unternehmen sorgen die Zahlungsaufforderungen für Unverständnis. Sie wehren sich – und ziehen vor Gericht.

Die TAGESZEITUNG hat sich mit mehreren Rechtsanwälten unterhalten. Der Tenor: Es gibt häufig Fälle zu dieser Thematik.

Ulrich Stofner, Direktor der Business Location Südtirol (BLS), sagt, dass es nur in den seltensten Fällen Streitigkeiten gibt. Es sei schließlich genau festgelegt, wie viel jeder zu zahlen habe. Die BLS wurde von der Landesregierung mit allen Zuständigkeiten rund um Gewerbegebiete von Landesinteresse betraut.

Erst vor einem Monat gab es eine Verhandlung im Rahmen eines Rechtsstreits, bei dem sich ein Unternehmen gegen die BLS wehrt:

Die BLS forderte die Firma Rem-Tec GmbH mehrmals auf, 175.924,49 Euro als Beteiligung für die Kosten der Erschließungsarbeiten im Gewerbegebiet „Sandhof“ in Sinich zu zahlen. Am 3. April 2014 gab die BLS noch eine Zahlungsfrist von zehn Tagen und drohte mit einer Zwangseintreibung.

Weil die Rem-Tec GmbH über ihren Rechtsanwalt Stefan Thurin rekurrierte, setzte das Verwaltungsgericht einstweilig alle Maßnahmen zur Forderungseintreibung aus. Am 28. April 2015 schließlich hat die BLS mitgeteilt, dass der geforderte Betrag zu hoch sei und die Erschließungskosten neu berechnet werden. Damit ist der Streitgegenstand weggefallen, wie das Gericht im Juni erklärte. Die Prozesskosten muss die BLS übernehmen.

„Ich betreue noch zwei weitere Fälle mit derselben Problematik, bei denen ein Urteil aber noch aussteht“, erklärt Thurin. „Es geht um Unternehmen, die ab 2005 im Gewerbegebiet angesiedelt wurden. Es liegen mehrere Widersprüchlichkeiten vor, die im Verfahren geklärt werden müssen. So haben die Unternehmen viele Arbeiten selbst durchgeführt. Und in der Gemeinde liegt eine Erklärung auf, wonach keine Erschließungsabgaben geschuldet seien.“

Ulrich Stofner erklärt indes, dass man die Kosten im „etwas komplizierteren Fall Sinich“ jetzt korrekt berechnet habe. Bleibt abzuwarten, ob die Rem-Tec GmbH mit dem neuen Betrag einverstanden ist.

Ein interessantes Urteil gab es auch vor einem Jahr in einem Rechtsstreit zwischen der Indula OHG und der Gemeinde Bozen. Die Gemeinde verlangte für Erschließungsarbeiten in der Gewerbezone „Bozner Boden“ 64.495 Euro.

Die Indula OHG vertrat aber die Auffassung, sich nicht an den Kosten der Erschließung beteiligen zu müssen. Die Liegenschaften seien bereits im Jahr 1958 betrieblich verbaut und die notwendigen Erschließungsinfrastrukturen auf eigene Kosten errichtet worden. Die jetzigen Erschließungsarbeiten habe sie nicht gewollt. Die Gemeinde jedoch kontert, dass die Indula OHG von den neuen Infrastrukturen profitiere. Auch alteingesessene Eigentümer der Liegenschaften müssten sich beteiligen.

Das Verwaltungsgericht bestätigt, dass die Indula OHG einen Nutzen habe: Sie habe Vorteile durch die verbesserte Infrastruktur und profitiere zudem von einem höheren ökonomischen Wert ihres Betriebsgeländes. Die Erschließungskosten seien notwendig gewesen und von allen Nutznießern zu tragen. Das Verfahren behängt nach einem Rekurs der Indula OHG nun beim Staatsrat.

„Die neue Infrastruktur – ein Kreisverkehr – kommt erstens der Allgemeinheit zugute, weil er von allen Boznern genutzt wird und wird zweitens nicht von der Indula genutzt, um zu ihrer Liegenschaft zu kommen. Warum sollten wir also zahlen?“, so Rechtsanwalt Alexander Bauer.

Er betont, dass jetzt aufgrund einer Änderung des Landesraumordnungsgesetzes die zuständige Gemeinde die Kosten übernehmen muss, falls primäre Erschließungsanlagen nachträglich verbessert werden. Das Problem im Fall Indula: Sind Gerichtsverfahren anhängig, gilt die Gesetzesänderung nicht.

Bauer glaubt jedoch, dass es nun zu weniger Streitfällen wegen Erschließungskosten kommen wird.

 

EIN ANDERER AKTUELLER FALL: Das Bristol-Urteil

Die Gemeinde Meran verlangte für den Wiederaufbau des Hotels Bristol fast zwei Millionen Euro an Erschließungsgebühren. Laut einem Urteil schauen nur 129.000 Euro heraus.

Die Habitat AG des Unternehmers Pietro Tosolini hat das ehemalige Hotel Bristol im Zentrum von Meran abgebrochen und nun eine Wohn- und Geschäftsanlage errichtet. Die Gemeinde verlangte dabei Gebühren für die primäre und sekundäre Erschließung in der Höhe von insgesamt 1.978.633 Euro. Tosolini erachtete den Betrag als zu hoch und zog vor Gericht.

Letztendlich urteilte der Staatsrat: Die Habitat AG muss der Gemeinde Meran nur 129.374 Euro an Erschließungsgebühren zahlen. Und das nur deshalb, weil beim Neubau unterirdische Kubatur hinzugekommen ist. Ansonsten fallen bei einem Abbruch und Wiederaufbau für die „alte“ Kubatur keine Erschließungsgebühren an. Dieses Volumen muss bei der Berechnung von der neuen Kubatur abgezogen werden. Die Gebühren seien ja bereits bezahlt worden.

Der Gemeinde Meran gehen damit insgesamt 1,85 Millionen Euro durch die Lappen.

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