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Urlaub am Krisenstrand

Trotz Währungs’gschichten und Grexitsachen – Griechenland ist weiterhin ein beliebtes Reiseziel der Südtiroler Urlauber. Müssen die sich nun vor dem Euro-Austritt fürchten? Die TAGESZEITUNG klärt die wichtigsten Fragen.

Von Anton Rainer

Aufgepasst beim Kofferpacken: 10.000 Drachmen, ein krisensicherer Goldbarren und ein Staatshaushalt als Strand-Schmöker sollten schon dabei sein, möchte man meinen, wenn man in diesen Tagen an Griechenland-Urlaub denkt. Während sich Medienberichte und Parlamentsreporter mit Horrormeldungen überbieten, stellen sich viele Südtiroler tatsächlich nur eine Frage: Ist mein Urlaub noch sicher? Die TAGESZEITUNG hat mit Reisebüros und Urlaubern gesprochen – und beantwortet die wichtigsten Fragen.

Ich habe meinen Urlaub bereits gebucht, was nun?

Selbst wenn Sie den Euro-Austritt Griechenlands fürchten wie der Schuldner die Zahlungsfrist, ist ein Storno nicht ohne weiteres möglich. Alle großen Reiseveranstalter erstatten die Kosten nur bei (aktuell nicht vorhandener) Reisewarnung des Außenministeriums oder medizinischen Notfällen. Treten Sie Ihren geplanten Urlaub dennoch an, sind sie in guter Gesellschaft. Bei keinem der Bozner Reisebüros wurden Stornierungen oder größere Beschwerden eingebracht. „Die Leute sind skeptisch, aber da können wir sie meistens beruhigen“, erklärt man etwa im Reisebüro Taferner.

Was soll ich denn besonderes mitnehmen?

In erster Linie Bargeld, bis zu 10.000 Euro dürfen Touristen aus Italien mit sich führen. „Im Fall von Pauschalreisen raten wir aber meist zu deutlich weniger“, heißt es in den Reisebüros. Weil das meiste schon bezahlt ist, betreffen Ausgaben hier nur Leistungen, die nicht „all inclusive“ ist. Umso wichtiger ist es deshalb, etwa teure, schwer zu importierende Medikamente in ausreichendem Ausmaß mitzubringen.

Funktionieren meine Bancomatkarten denn überhaupt in Griechenland?

Klar ist: Obwohl die Benutzung von Bancomat-Karten für Urlauber theoretisch gesichert ist, sollte man sich nicht darauf verlassen. Automaten sind häufig leer, Hotels und Betriebe weigern sich immer öfter, EC-Zahlungen zu akzeptieren. Der Grund: Bereits jetzt kommen Unternehmen nicht an ihre Bankreserven, um Mitarbeiter und ausstehende Lieferungen zu bezahlen – je weniger Bargeld, desto schlimmer die Situation. „Das Lesegerät funktioniert gerade nicht“, ist damit weniger Ausrede und mehr Notwendigkeit: „Cash only“ als Misstrauensvorschuss gegen Banken und Regierung.

Genau aus diesen Gründen habe ich mit dem Buchen gewartet. War das klug?

Zumindest sind Sie nicht der einzige: Im Reisebüro „Mixtravel – Travel Staff“ in der Bozner Silbergasse verzeichnete man einen Buchungsrückgang von rund 10%, im Interview mit der TAGESZEITUNG erklärte der griechische Ökonom Dimitrios Buhalis „Das Problem ist, dass im Moment einfach keine neuen Buchungen gemacht werden.“ Immerhin: Wer sich nicht auf die (teils bereits im Vorjahr festgelegten) Preise der großen Reiseveranstalter verlässt und direkt bucht – profitiert von Hotelübernachtungen, die bis zu 14% weniger als im Vorjahr kosten. Bei TUI, Thoms Cook und Co. wählte man hingegen den umgekehrten Weg: Weil es Griechenland, Tunesien und Ägypten aktuell in der Gunst der Urlauber nicht leicht haben, stiegen teils die Preise z.B. in Spanien.

Haben staatliche Museen und Sehenswürdigkeiten überhaupt geöffnet?

Ja, aber niemand weiß, wie lange noch. Kann der griechische Staat, nach dem IWF, auch private Schuldner nicht mehr bedienen, droht die Zahlungsunfähigkeit. Öffentliche Bedienstete würden dann wohl nicht mehr bezahlt werden – ein Szenario, das momentan noch weit weg ist. Realistischer sind Streiks, Treibstoff-Knappheit und nicht bezahlte Rechnungen – die allesamt an der Versorgungssicherheit nagen. „Davon merkt man hier aber überhaupt nichts“, beruhigt Oswald Zöggeler. Der Bozner Architekt befindet sich derzeit auf der griechischen Insel Naxos und sieht außer langen Schlangen vor den Bankomatschaltern nicht besonders viel von der Krise. „Wir haben aber genug Geld mitgenommen, das hat man uns in der Bank geraten.“

Kann ich vor dem Urlaubsantritt eigentlich eine „Grexit“-Versicherung abschließen?

Jein. Eine speziell auf den Euro-Ausstieg gemünzte Versicherung muss wohl erst noch erfunden werden, aber klassische Reiseversicherungen kommen spätestens dann zum Tragen, wenn dem Urlauber durch die Währungsturbulenzen Qualitäts-Einbußen drohen. „Angenommen, jemand bekommt wochenlang hartes Brot, weil neue Lieferungen nicht bezahlt werden“, heißt es in einem Reisebüro, „da würde man sich bei diesen Preisen sicher über Rückerstattungen Gedanken machen.“ Eine Versicherung lohnt sich also in jedem Fall, Grexit hin oder her.

Sollte ich allein schon aus Solidarität nach Griechenland reisen?

Es wäre mit Sicherheit mehr als nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Der Tourismus stellt mehr als 16 Prozent der griechischen Wirtschaftsleistung, angesichts der aktuellen Produktionskrise vermutlich bald noch mehr – 13 Mrd. Euro hat der Griechenland noch 2014 damit eingenommen, viele griechische Inseln leben neun Monate lang von den Ausgaben der Sommergäste. Nur der Solidarität wegen muss allerdings niemand unter der griechischen Sonne liegen – dafür gibt es bessere Gründe: „Ich mache keinen Solidaritätsurlaub“, erklärt etwa Herbert Dorfmann, „ich fahre nach Griechenland, weil ich nach Griechenland will.“ Seinen Urlaub auf Rhodos will der EU-Parlamentarier auch im Fall eines Euro-Ausstiegs nicht stornieren. „Wie viel Bargeld ich mitnehme, hängt aber davon ab, wie gut es den Bankomaten am Ende des Monats geht.“ Immerhin: Dank seiner Kinder, „die man in diesem Alter nun mal mit Cluburlaub beglücken muss“, sollte Dorfmann von knappen Banken nicht besonders viel mitkriegen. Staatshaushalte sind nun mal schlechte Urlaubsschmöker – nicht nur weil sie in der Regel mit Happy Ends geizen.

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