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Der „Aufpasser“

Der „Aufpasser“

Der ehemalige Verwaltungsrat Albert Wurzer hätte den Brennercom-Geschäftsführer Karl Manfredi kontrollieren sollen. Wie das Land der Athesia in die Hände gespielt hat.

Von Matthias Kofler

Es ist Montag, der 7. April 2008.

Gegen 12 Uhr mittags klingelt bei Albert Wurzer das Telefon. Am Apparat: sein Vorgesetzter Hans Berger. Der SVP-Politiker ist im Kabinett Durnwalder IV für den Bereich Informationstechnik zuständig. Albert Wurzer ist sein Ressortdirektor. „Du wurdest heute Vormittag in den Verwaltungsrat der Brennercom berufen“, teilt Berger seinem Vertrauensmann mit. Albert Wurzer ist paff: „Damit habe ich damals einfach nicht gerechnet“, erinnert sich der heutige SVP-Abgeordnete.

Der Hintergrund: Der Verwaltungsrat der Brennercom besteht seit seiner Gründung im Jahr 1998 aus vier Mitgliedern: Luis Kofler und Karl Manfredi sind die Vertreter des Hauptaktionärs Land, Sparkassen-Vizedirektor Andrea Brillo und Brennercom-Präsident Ferdinand Willeit die Vertreter der privaten Aktionäre im Telekommunikationsunternehmen.

Am 7. April 2008 beschließt die Landesregierung, den Verwaltungsrat auf fünf Mitglieder aufzustocken. Neues Mitglied wird Bergers Ressortdirektor Albert Wurzer. Es ist ein Beweis für das Misstrauen, das die Landesregierung gegenüber Karl Manfredi und Luis Kofler hegt.

Karl Manfredi lebt den amerikanischen Traum

Der frühere persönliche Sekretär von Informatik-Landesrat Luis Kofler ist durch die Brennercom – und unter tatkräftiger Mithilfe „seines“ Landesrats – sprichwörtlich vom Tellerwäscher zum Millionär geworden. Über seine KM Invest, die 2007 ihren Sitz nach Innsbruck verlegt, hält der Brennercom-Geschäftsführer mittlerweile 8,6 Prozent des Unternehmens. Manfredi ist damit zweitgrößter Aktionär hinter dem Land. Seine Aktien sind zwischen vier und fünf Millionen Euro wert.

Doch innerhalb der Landesregierung wächst der Argwohn gegenüber dem Brennercom-Geschäftsführer. Albert Wurzer wird Manfredi zwar zunächst als Aufpasser zur Seite gestellt, Bergers Ressortdirektor bleibt aber nur wenige Monate im Verwaltungsrat. Nach den Landtagswahlen verliert Hans Berger die Kompetenzen für die Informatik an Barbara Repetto, die auch die Finanz-Kompetenzen innehat. Wurzer wird im Brennercom-Verwaltungsrat durch Finanzabteilungsdirektor Massimo Torresani ausgetauscht.

Doch die wenigen Monate, die Albert Wurzer im Verwaltungsrat sitzt, gehören rückblickend zu den wohl spannendsten Momenten in der Geschichte der Brennercom.

Es ist die Zeit, in der die Landesregierung den Verkauf der Landesanteile an die Brennercom beschließt.

Im Nachhinein mutet die Entscheidung von damals äußerst seltsam an. Das Land hatte zu dem Zeitpunkt bereits 15 Millionen Euro in die Brennercom investiert. Die Gründungsidee der Brennercom bestand bekanntlich darin, das Südtiroler Breitbandnetz bis in die Peripherie auszuweiten. Die peripheren Gebiete waren durch die Privatisierung und Liberalisierung der Telekommunikationsanbieter auf der Strecke geblieben. Doch dieses ursprüngliche Ziel der Brennercom wurde unter der Regie von Geschäftsführer Manfredi immer stärker vernachlässigt. „Der Fokus wurde immer mehr auf andere Tätigkeitsfelder gerichtet“, sagt Albert Wurzer.

Auch das Land ändert seinen Kurs.

„Die Kritik an der öffentlichen Finanzierung der Brennercom war massiv“, erklärte Hans Berger im TAGESZEITUNG-Interview. Die Aktien an der Brennercom sollten also verkauft werden.

Eine Haltung, welche die heutige Landesregierung unter Arno Kompatscher nicht nachvollziehen kann. Sie erachtet den Bereich Breitband mit seinen Infrastrukturen und dem dazugehörigen Know How für strategisch wichtig. Und sie will den Bereich Breitband von der Brennercom abkoppeln. „Das Land hat in Sachen Brennercom ständig seine Strategie gewechselt“, sagt Albert Wurzer und hat auch eine Erklärung dafür bereit: Das Thema Breitband sei äußerst komplex und vielschichtig. Wer von Breitband spreche, müsse damit nicht unbedingt das Glasfasernetz meinen.

Den vollen Durchblick werden auch heute nur die wenigsten haben.

In seiner Zeit im Brennercom-Verwaltungsrat wird Albert Wurzer mit einer anspruchsvollen Aufgabe betreut.

Nachdem die Landesregierung den Beschluss zum Verkauf der Brennercom-Aktien trifft, soll der Verwaltungsrat nun diesen Verkauf „legalisieren“, also auf juridisch standfeste Beine stellen.

Brisant: Der Beschluss der Landesregierung von 2008 sieht vor, dass nicht das gesamte Aktienpaket des Landes (sprich 65 Prozent) abgetreten werden soll. Stattdessen sollen nur 25 Prozent verkauft werden. „Man war damals der Meinung, dass die öffentliche Hand weiterhin die Mehrheit an der Brennercom halten soll“, erklärt Albert Wurzer.

Doch genau diese Haltung wird nur wenige Monate später, nämlich im Jahr 2009, wieder über den Haufen geworfen. Die Landesregierung beschließt, auch die zweite Tranche auszuschreiben. Eine Ausschreibung, die schließlich leer ausgeht.

Heute stellt sich die Frage: Warum hat man nicht sofort den Gesamtausstieg vollzogen?

In der Landesregierung hat man keine schlüssige Erklärung dafür. „Ich kann mich nicht mehr daran erinnern“, sagt etwa Florian Mussner. Der damalige Landesrat für Tiefbauten war im Jahr 2009 zwar (zumindest indirekt) für die Brennercom zuständig. „Die Ausschreibung wurde aber vom Finanzressort vorgenommen“, so Mussner.

Gewollt oder ungewollt hat die Landesregierung mit ihrer Entscheidung von 2007 den Weg für Michl Ebners kometenhaften Aufstieg in der Brennercom geebnet. Zu dem Zeitpunkt hält die Athesia nur 0,02 Prozent der Brennercom-Aktien.

Der Hintergrund: Vor der ersten Ausschreibung im Jahr 2008 gab es innerhalb der Landesregierung die Sorge, dass ein ausländischer Investor die Brennercom übernehmen will. „Man stand ziemlich unter Druck“, sagt Albert Wurzer.

Der heutige SVP-Abgeordnete erinnert sich an zwei informelle Anrufe von ausländischen Firmen – eine davon aus der Schweiz–, die sich bei ihm über die Brennercom-Ausschreibung erkundigen wollten. Das Interesse der ausländischen Finanzierungsgesellschaften verfliegt aber rasch, als sie erfahren, dass das Land seine Mehrheit nicht abtreten will.

Das ausländische Interesse an der Brennercom ist verständlich: Das Unternehmen schreibt seit Jahren schwarze Zahlen. Die Kassen der Brennercom sprudeln. „Es war eine gute Zeit“, fasst Albert Wurzer zusammen.

Im Spätsommer 2008 endet die Frist für die Ausschreibung der ersten Tranche. Es gibt nur einen einzigen Bewerber: die Innsbrucker KM Invest, die mittlerweile ihren Besitzer von Karl Manfredi zu Michl Ebner gewechselt hat.

Eine konkurrenzlose Übernahme.

Dabei hätte für die Athesia ohnehin das Vorkaufsrecht gegolten: Das heißt: Sie hätte bei gleichem Preis den Zuschlag vor den nicht-beteiligten Mitbewerbern bekommen.

Die Landesregierung gibt wenige Tage nach den Landtagswahlen 2008 den Verkauf der Brennercom-Aktien an die Athesia bekannt.

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