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„Unerhörter Vorgang“

Das EXKLUSIV-Interview mit Karl Zeller: Auf TAGESZEITUNG Online analysiert der SVP-Senator die Hintergründe des Brennercom-Putsches – und rechnet mit dem Athesia-Konzern ab.

TAGESZEITUNG Online: Herr Senator, Ihre erste Reaktion auf den Brennercom-Putsch war, es handle sich um eine Kriegserklärung des Athesia-Konzerns an den Landeshauptmann. Sind Sie immer noch dieser Ansicht?

Karl Zeller: Ja, sicherlich! Das strategische Ziel des Athesia-Konzerns ist, die Mehrheit in der Brennercom zu einem relativ günstigen Preis zu übernehmen und damit indirekt die von der öffentlichen Hand gemachten Investitionen in das Kommunikationsnetz an sich zu reißen. Sobald der Landeshauptmann dem Athesia-Konzern bzw. dem Herrn Michl Ebner eröffnet hat, dass er diese Pläne durchkreuzen und verhindern will, dass die Mehrheit der Brennercom in die Hände eines privaten Monopolisten fällt, ist er in Ungnade gefallen. 

Sie sagen: Die Brennercom ist mit öffentlichen Geldern aufgebaut worden, jetzt will Athesia …

… jetzt, nachdem die öffentliche Hand, sprich: der Steuerzahler die Anschubfinanzierung getätigt, die Grabungsarbeiten usw. bezahlt hat, will der Athesia-Konzern die Kontrolle der Brennercom übernehmen, um über das gute und schlechte Wetter im Südtiroler Kommunikationsbereich zu bestimmen. 

Sie zeichnen ein düsteres Szenario?

HK-Präsident Michl Ebner

HK-Präsident Michl Ebner

Selbst ein Blinder sieht, wie Athesia im Bereich der Print-Medien die Monopolstellung für eigene Zwecke ausnutzt. Bei Athesia steht nie das öffentliche Interesse im Vordergrund, schauen Sie sich die Kampagne gegen Benko in Bozen an.

Aber in Sachen Brennercom reden wir von einem sehr sensiblen Bereich. Denn ich glaube nicht, dass es der Wunsch der Südtiroler Bevölkerung ist, dass der Athesia-Konzern auch das Glasfasernetz und die Informationsflüsse kontrolliert.

Bei der Brennercom-Geschichte geht es nicht nur um Geld, sondern um Informationsflüsse …

Ja, Athesia will zwei Fliegen mit einer Klappe erschlagen: Der Konzern will sich einerseits die von der öffentlichen Hand gemachten Investitionen einverleiben, und Athesia will die Kontrolle über die Informationsflüsse …

Was für Südtirol gefährlich wäre?

Ja, weil der Athesia-Konzern sein Medien- und Informationsmonopol damit für die nächsten Jahrzehnte nicht nur zementieren, sondern ausbauen würde. Das kann das legitime Ziel eines privaten Unternehmers ein …

aber nicht das Ziel eines Handelskammer-Präsidenten?

Es kann nicht das Ziel der Allgemeinheit und der Landesregierung sein, tatenlos zuzuschauen.

Jetzt wird es zu einem Gerichtsverfahren kommen, das sich möglicherweise jahrelang hinziehen wird. Ich sage nach wie vor, dass die Entscheidung des Verwaltungsrates der Brennercom ein unerhörter Vorgang war. Die Tragweite ist in etwa dieselbe, wie wenn die Enel beschließen würde, die römische Regierung aus der Enel hinauszupalandern.

Ist Michl Ebner nach diesem Putschversuch als Handelskammer-Präsident noch tragbar?

Das müssen die entscheiden, die ihn gewählt haben.

Aber sicher ist es schwer vereinbar, dass der Vertreter einer öffentlichen Institution versucht, seine Privatinteressen in einem so strategischen Bereich, wie es die Kommunikation und das Glasfasernetz sind, mit der Brechstange durchzusetzen. 

Landeshauptmann Arno Kompatscher hat bereits erklärt, rechtlich sei Michl Ebner auf dem Holzweg. Sehen Sie das auch so?

Zweifellos! Denn auch das Staatsgesetz besagt: Ob ein öffentliches Interesse an einer Gesellschaftsbeteiligung besteht, das bestimmt die öffentliche Hand selbst und nicht ein von der öffentlichen Hand eingesetztes Organ der Gesellschaft, sprich: der Verwaltungsrat. Wenn der Verwaltungsrat sich nun verselbständigt und eine Entscheidung getroffen hat, zu der er gar nicht befugt ist, dann muss und wird dies Konsequenzen haben. Gravierende Konsequenzen.

Nämlich?

In einer Gesellschaft bestimmt nicht der Verwaltungsrat, was mit dem Kapital geschieht, sondern die Gesellschafterversammlung, die Aktionäre. Der Verwaltungsrat ist nur ein ausführendes Organ. Im Fall der Brennercom haben wir es mit einer mehrheitlich öffentlichen Gesellschaft zu tun. Der Verwaltungsrat hat mit seiner Entscheidung vom Freitag ganz eindeutig die Interessen der Aktionäre geschädigt, man kann also von einem Vertrauensbruch sprechen. Die Mitglieder des Verwaltungsrates riskieren jetzt die Abberufung.

Das glauben Sie ernsthaft?

Schauen Sie: Es gibt für einen Verwaltungsrat nichts Schlimmeres, als die Interessen der Aktionäre zu schädigen. Noch schlimmer ist nur, wenn er den Großaktionär hinauswirft. Und das ist bei der Brennercom jetzt geschehen. Der Verwaltungsrat hat evident die Interessen der Aktionäre geschädigt und deren Vertrauen missbraucht. Die öffentliche Hand hat in der Aktionärsversammlung die Mehrheit, so dass ich davon ausgehe, dass es zu einer Abberufung des Verwaltungsrates kommen wird.

Weitere Schritte könnten sein?

Toni Ebner

Toni Ebner

Ich gehe davon aus, dass es auch zu Haftungsklagen gegen die Mitglieder des Verwaltungsrates kommen wird. Diese kann ein einzelner Aktionär anstrengen. Selbst wenn die Sache rechtens wäre, was sie aber nicht ist, haben die Verwaltungsräte mit dieser unerhörten Entscheidung der Gesellschaft einen Riesenschaden zugefügt. Der nächste Punkt ist: Der Verwaltungsrat hatte gar nicht die Befugnis zu bestimmen, ob die Brennercom für das Land von institutionellem Interesse ist. Zum Glück gibt es in Südtirol die Demokratie …

Wie meinen Sie das?

So wie ich es gesagt habe. Zum Glück gibt es in Südtirol die Demokratie, auch wenn dies die Herren am Weinbergweg nicht wahrhaben wollen. Die gewählten Vertretungen in Südtirol sind der Landtag und die Landesregierung. Diese beiden Organe und nicht ein Michl Ebner bestimmen, was für das Land und die Menschen von öffentlichem und strategischem Interesse ist. Der Verwaltungsrat der Brennercom ist in dieser Hinsicht ein völlig unbefugtes Organ und nicht legitimiert.

Dass Michl Ebner im Verwaltungsrat für den Rausschmiss des Landes aus der Brennercom gestimmt hat, ist nachvollziehbar. Was haben Sich Ferdinand Willeit und Karl Manfredi dabei gedacht?

Ich verstehe das auch nicht, das müsste man Willeit und Manfredi fragen. Erschwerend kommt noch hinzu, dass die Landesregierung – in Ausführung des Staatsgesetzes, auf das sich der Brennercom-Verwaltungsrat jetzt bezieht – im Frühjahr 2015 klar festgelegt hat, welche Beteiligungen von öffentlichem Interesse sind. Diese Beschlüsse müssten die Verwaltungsratsmitglieder eigentlich kennen. Die Landesregierung hat erst vor wenigen Monaten beschlossen, dass die Brennercom-Infrastruktur und das Glasfasernetz öffentlich bleiben sollen.

Rechtlich, glauben Sie, wird sich der LH durchsetzen?

Davon bin ich felsenfest überzeugt! Denn erstens war der Verwaltungsrat nicht zuständig, zweitens hat der Verwaltungsrat die Beschlussfassung der Landesregierung, sprich: des Großaktionärs ignoriert, missachtet, drittens sind bestimmte Vertreter im Verwaltungsrat in einem evidenten Interessenkonflikt …

Sie meinen Michl Ebner?

Ja, er hat nicht im Interesse der Gesellschaft, sondern in seinem Interesse als Privataktionär entschieden. Er, der als Vertreter der Athesia-Gruppe im Verwaltungsrat sitzt, will die öffentliche Hand aus der Gesellschaft hinauskeilen, um dann selbst Alleineigentümer zu werden. 

Was wird jetzt passieren?

Das Land wird, davon gehe ich aus, zuerst den Beschluss anfechten. Dann wird man die Abberufung des Verwaltungsrates beschließen. Und ich denke auch, dass es Haftungsklagen geben wird.

Bislang haben die Mächtigen immer vor dem Athesia-Konzern gekuscht bzw. sich mit dem Konzern arrangiert. Glauben Sie, dass auch Arno Kompatscher umfallen wird?

Nein. Der Landeshauptmann hat richtigerweise die Interessen Südtirols über Privatinteressen gestellt. Er stellt sich dagegen, dass sich ein privates Unternehmen in Raubritter-Manier öffentliches Vermögen einverleibt. Das ist verantwortungsvoll, Kompatscher hat auch persönliche Komoditäten hintangestellt …

Was meinen Sie mit Komoditäten? Dass er es viel leichter hätte, wenn er den Wünschen des Athesia-Konzerns entsprochen hätte?

Ja, wenn Kompatscher anders ticken würde, wäre er nicht in den Krieg der Sterne hineingeraten. Schon sein Vorgänger Luis Durnwalder hat den Wünschen der Familie Ebner in Sachen Berennercom nicht entsprochen und wurde dafür gegeißelt. Kompatscher wusste also, dass ihm – wenn er sich querstellt – eine Sonderbehandlung, wie ich sie nenne, zuteil würde.

Die Rache des Konzerns wird fürchterlich sein?

Ich selbst genieße diese Sonderbehandlung seit zweieinhalb Jahren. Erst letzthin wurde aus einer Pressemitteilung, die ich zusammen mit dem Kollegen Daniel Alfreider verschickt habe, mein Namen herausgestrichen. In den „Dolomiten“ gibt es seit zweieinhalb Jahren kein Foto vom Zeller. Diese Sonderbehandlung wurde mir vom Chefredakteur angekündigt …

Wie denn?

Es wurde mitgeteilt, dass Unbotmäßigkeit bestraft wird. Ich als alternde Diva kann mir das leisten (lacht).

Und der LH?

Auch er kann es sich leisten. In der Politik geht es auch darum, ob man sich noch im Spiegel anschauen kann. Wenn man sich zum Spielball machen lässt, hat man in der Politik nichts verloren.

Toni Ebner und LH Arno Kompatscher

Toni Ebner und LH Arno Kompatscher

Wie wird die Sonderbehandlung für den unbotmäßigen LH aussehen?

 

 

Ich kann nur sagen, wie die Sonderbehandlung bei mir ausgesehen hat:

Zuerst wird man bestraft, indem man nicht mehr angerufen wird – oder nur zu negativ besetzten Themen. Regel 2: Es gibt kein Foto mehr – außer in einem negativen Kontext. Wenn ich beispielsweise Giorgio Napolitano in unserer Fraktion willkommen heiße, dann wird der Zeller einfach weggeschnipselt. Regel 3: Aussendungen, die du versendest, werden entweder verstümmelt, oder man wahrt das Feigenblatt der Korrektheit, indem man sie links in einem Seitenkästchen platziert, das niemand liest. Man mus aber bedenken, dass das, was ich verbrochen habe, ungleich geringfügiger ist als das, was der Landeshauptmann „verbrochen“ hat.

Sie rechnen also, dass die Strafe für Kompatscher noch heftiger wird?

Nach der Philosophie des Hauses wird sie noch viel, viel härter ausfallen. Denn ich selbst habe keine Gesellschaften, ich bin ein kleiner Goldfisch, der viel zu klein ist, als dass er wirtschaftliche Interessen von Athesia hätte berühren können. Wenn Athesia bei mir wegen einer Kleinigkeit …

… wegen?

Ich hatte die „Dolomiten“ in der „ff“ kritisiert, weil sie im Zuge des SEL-Skandals mit ihren Rückrittsforderungen gegen Durnwalder vom eigentlichen Skandal ablenken wollte. Das war eine Bagatelle, dennoch wurde mir die Sonderbehandlung zuteil.

Und Kompatscher wird nicht einknicken?

Nein, wird er nicht! Wenn er umfällt, dann braucht er nicht mehr den Landeshauptmann zu machen. Denn in dem Fall hinge er am Gängelband eines Privaten, der mit seinen Marionetten – wie man weiß – nicht zahm umspringt. Ebners Marionetten müssen spuren. Einknicken hieße für den LH, politisch tot zu sein.

Es wird also knüppeldick kommen für den LH?

Davon gehe ich aus. Vielleicht gründet Athesia sogar eine andere Partei …

Sie machen einen Witz?

Nein, das ist kein Witz. Und ich sage Ihnen noch etwas: Der Chefredakteur der ,Dolomiten“ hat mich im Fernsehen einen ,Faccendiere‘ genannt. Das müssen Sie sich auf der Zunge zergehen lassen. Ich selbst habe nachweislich keine Gesellschaftsbeteiligung, außer ein paar Aktien der Sparkasse. Mich nennt er einen ,Faccendiere‘. Ich frage jetzt: Was ist das, wenn man auf Kosten der Südtiroler Steuerzahler versucht, sich ein Unternehmen von öffentlichem Interesse unter den Nagel zu reißen? Kein anderes Unternehmen in Südtirol würde sich erdreisten, uns Aktionäre – denn die Brennercom-Beteiligung gehört allen Südtirolern! – aus einer Gesellschaft hinauszuschmeißen, um dann die Anteile selbst zu einem günstigen Preis zu nehmen. Und diese Herren erdreisten sich, mich einen ,Faccendiere‘ zu nennen. Ich sage nur: Liebe Herren Ebner, schaut selbst mal in den Spiegel!

Harter Tobak, Herr Senator …

Ich habe es noch nie gewagt, den Südtirolern das Vermögen unter dem Hintern wegzuziehen, sondern ich habe in Rom immer versucht und auch dazu beigetragen, damit das Vermögen der Südtiroler Allgemeinheit steigt. 

Interview: Artur Oberhofer

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