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Zornige Bauern

wildtiere marderMarder, Dachse, Füchse, Murmeltiere, aber auch Rot- und Rehwild machen den Bauern das Wirtschaften schwer. Der Zorn ist groß: Weil Tierschützer bei Gericht aber meistens recht bekommen, sind den Jägern die Hände gebunden. 

von Erna Egger

„Wir bekommen viele Klagen zu Ohren. Die Problematik spitzt sich zu – und der Zorn der Bauern ist mehr als berechtigt“, kommentiert Siegfried Rinner, Direktor des Bauernbundes.

Bei Orts- oder Bezirksversammlung wird geflucht und geschimpft: Die Landwirte jammern über die Wildtiere, die ihnen das Leben schwer machen.

Sie kämpfen gegen das Rot- oder Rehwild, das Weinberge oder Obstbäume beschädigt und gemütlich die Wiesen abgrast. Murmeltiere graben die Almböden um – das Mähen wird arg erschwert und das Futter verunreinigt. Dachse verrichten in Weinbergen oder Äckern Grabarbeiten – Mauern stürzen ein und das Tier frisst ganze Flächen kahl. Der Fuchs ist der ungeliebte Gast in vielen Hühnerställen. Der Hausmarder, oder auch Steinmarder genannt, ist inzwischen sogar in der Stadt Bozen verbreitet: Neben der Plünderung der Hühnerställe beißt er in Mechaniker-Werkstätten oder Parkgaragen die Kabel der Autos ab.

Im Pustertal fürchtet man sich vor den aufkommenden Wildschweinen. „Dieses Tier wäre in Südtirol nicht denkbar“, so der Geschäftsführer im Südtiroler Jagdverband Heinrich Aukenthaler.

Rinner fürchtet um den Fortbestand der Betriebe: „Es kann nicht sein, dass die Bauern zuschauen müssen, wie die Tiere ihr gepflanztes Obst abfressen oder die Hühnerställe räumen. Wer bezahlt den Schaden?“

Der Ruf nach vermehrten Abschüssen der Übeltäter wird immer lauter. „Bei mir trudeln viele Beschwerden ein: Die Bauern fordern ein Intervenieren der Jäger“, bestätigt Aukenthaler.

Heinrich Auckenthaler

Heinrich Auckenthaler

Das, was die Bauern dann aber von den Jägern und im Jagdverband zu hören bekommen, verärgert sie noch mehr: „Die Bauern verstehen oft nicht, dass die Sachlage so kompliziert ist, aber auch die Jäger bedauern, dass ihnen die Hände gebunden sind: Wir tun zu wenig, weil wir nicht dürfen“, erklärt Aukenthaler.

Er erläutert die Problematik: „Bei der normalen Jagd wird vereinbart, wie viele Tiere welcher Art erlegt werden dürfen. Diese Abschusspläne sind Kompromisslösungen zwischen der Forstbehörde, dem Bauerbund, der Landwirtschaftsbehörde, dem zuständigen Landesamt und den Jägern. Und diese Zusammenarbeit funktioniert gut“, schildert Aukenthaler.

Soweit so gut. Außerhalb der Abschlusspläne kommt es aber oft zu Grenzfällen, wo ein unmittelbares Intervenieren notwendig wäre: „Beispielsweise wenn man Wildtiere aus einer schadenanfälligen Kultur entfernen soll. Dann bedarf es einer Sonderermächtigung für den Abschuss.“

Diese Sondergenehmigung ist sowohl bei Dachsen oder Mardern, die überhaupt nicht jagdbar sind, aber auch bei jagdbarem Wild außerhalb der Jagdzeit notwendig.

Die entsprechende Ermächtigung kann die Verwaltungsbehörde bzw. der zuständige Landesrat ausstellen.

Doch dann kommt das Problem: Man stößt auf den erbitterten Widerstand der Tierschützer: „Diese Sondergenehmigung werden in der Regel angefochten und das Gericht gibt ihnen meistens recht. Der Abschuss wird blockiert. Die Gerichte müssen aufgrund der allgemeinen Gesetzeslage entscheiden, welche den örtlichen Bedürfnissen in den Provinzen nicht immer Rechnung tragen. Und das Korsett, dass uns der Staat überstülpt, lassen Vernunftlösungen nicht zu“, spricht Aukenthaler aus Erfahrung.

Südtirol darf laut Autonomiestatut autonom über die jagdbaren Tiere und die Jagdzeiten bestimmen, der Verfassungsgerichtshof in Rom legt diese Möglichkeit aber nur im einschränkenden Sinne aus: Laut Verfassungsgerichtshof gehört nämlich im Jagdbereich alles zum Umweltschutz, was nicht innerhalb des Jagdrahmengesetzes liegt.

Das staatliche Rahmengesetz muss demnach eingehalten werden.

Im Jagdverband hat man  diesen Sachverhalt mit großer Enttäuschung registriert. Als der Südtiroler Landtag die Fuchsjagd, die bereits vom 1. Juli bis 15. Dezember erlaubt war, auf 31. Jänner ausdehnen wollte, ist der Verfassungsgerichtshof in Rom interveniert: Die Jagd auf den Fuchs darf auch in Südtirol erst ab dem 3. Sonntag im September beginnen.

Das zuständige Landesamt wagt es schon gar nicht mehr, Sondergenehmigungen auszustellen, weil der Ausgang sowieso absehbar ist.

Auch als der zuständige Landesrat in der Vergangenheit immer wieder Abschusspläne für den stark zunehmenden Steinmarder verabschiedet hat, wurden die entsprechenden Dekrete gerichtlich blockiert. „Das sind die Überraschungen, die wir immer wieder erleben“, bedauert Aukenthaler.

Gerade bei bestimmten Tieren sind die Entscheidungen der Gerichte schwer nachvollziehbar. „All diese Tier sind nicht vom Aussterben bedroht. Zudem sind sie Krankheitserreger: Wir hatten Tollwutepidemien, den Fuchsbandwurm, der auf den Menschen übertragbar ist und die Fuchsräude, an welcher nicht nur die Füchse, sondern auch angesteckte Hunde leiden. Es gäbe genug Gründe für eine längere Fuchsjagd.“

Laut staatlichen Vorschriften müssen Sonderermächtigungen zur Wildentnahme zuerst alternative Methoden vorsehen. „Man müsste versuchen, die Tiere mit Duftstoffen zu vergrämen oder sie einzufangen und anderswo auszuwildern“, erklärt Aukenthaler.

Aber: Allein schon in der Anwendung dieser alternativen Methoden ist der Hund begraben – und beim Jagdverband greift man sich an den Kopf: „Die Murmeltiere einzuzäunen ist schon aus landschaftlicher Sicht unmöglich. Fängt man rund 1.000 Exemplare ein, stellt sich die Kostenfrage. Und wohin sollten wir sie auch bringen? Das sind Probleme, die uns momentan besorgen“, so Aukenthaler.

 

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