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Adé Telefonkabine

Wie anders war das Telefonieren in einer Telefonkabine! Ein Nachruf von TAGESZEITUNG-Herausgeber Arnold Tribus.

Wann haben Sie zum letzten Mal in einer Telefonkabine telefoniert? Das wird so lange her sein, dass Sie sich gar nicht mehr daran erinnern. Und weil sie ihre Schuldigkeit getan haben und nicht mehr benutzt werden, werden sie nun alle abgebaut.

Die Telefongesellschaft nimmt das aber sehr genau, sie ist kundenfreundlich und hat auf allen noch stehenden Kabinen rote Hinweisschilder anbringen lassen, dass die Kabine wegkommt. Aber man kann natürlich Einspruch erheben und über eine PEC-Mail der Telefongesellschaft mitteilen, warum man sie weiterhin haben möchte und wird ersucht, eine triftige Begründung anzugeben.

Aber wer heute in der Kabine telefoniert, hat sicherlich keine zertifizierte Mail-Adresse. Eigentlich wollten die Telefongesellschaften die Kabinen ja schon lange wegtun, das Land verwendete sich damals, dass einige zur Grundversorgung erhalten bleiben. Die Benutzer waren damals vor allem extrakommunitäre Bürger, die noch nicht über Mobiltelefone verfügten und so billig in ihre fernen Heimatländer telefonieren konnten.

Die gute alte Telefonkabine hat also ausgedient. Früher sehr beliebt, stehen sie verlassen und oft auch verdreckt da. Kein Schwein ruft mich an. Bei aller Nostalgie, die aufkommt, wenn ein Stück unserer Jugend verschwindet, hält sich die Trauer in Grenzen, es muss aber trotzdem gewürdigt werden, dass sie für viele Jahre eine zivilisatorische Errungenschaft waren, die allen Bürgern den Zugang zur Telefonie ermöglichte.

Wer zu Hause kein Telefon hatte, und das waren ja noch viele, war auf die öffentlichen Fernsprecher angewiesen. Es gab Gasthäuser, die auch diesen öffentlichen Telefondient versahen, und die gingen sogar den Angerufenen rufen. Jahrzehnte prägten sie das Straßenbild, mit dem Einzug der neuen Kommunikationsmittel verzichtet man aber gern auf diese oft stickigen und im Winter eiskalten Kojen. Oft stanken sie nach Alkohol und Pisse, mal nach Rauch, muffig waren sie immer.

Und doch haben über diese Telefonzellen stundenlange Liebesgespräche stattgefunden, während sich vor der Tür Schlangen bildeten. Wenn der Geduldfaden brach, weil der Langtelefonierer immer noch Gettoni einwarf und keine Anstalten machte, Schluss zu machen, klopfte man schon erbost an die Tür, schließlich hatte es jeder eilig und musste was Dringendes sagen. Ging man in Ferien, waren die öffentlichen Telefonzellen die einzige Möglichkeit, mit den Eltern zu kommunizieren.

Man musste die Kabine erst finden, musste Schlange stehen und man musste genügend Münzen dabei haben. Aber der Kommunikationsdrang war früher nicht so intensiv wie heute. Heute telefonieren die Eltern ihren Kindern zwei-dreimal am Tag, früher hatte man die Ausreden, dass keine Zelle in der Nähe war und man eben keine Gettoni hatte. Überhaupt, die Gettoni waren ein von den den Sprachpuristen oft beklagter Italianismus der Südtiroler. Obwohl man dem Volke eintrichterte, man müsse Telefonmünze sagen, sagte man in Stadt und Land immer „Gettone“. Der Gettone wurde in Zeiten der Klappergeldnot sogar als Zahlungsmittel akzeptiert.

Im Grunde war die Zeit, als man sich noch der Telefonkabinen bedienen musste, noch unbekümmerter. Man rief sich an, wenn man sich etwas Wichtiges, Relevantes zu sagen hatte. Wenn man sich heute im Zug zum Beispiel den vielen Stumpfsinn anhören muss, den Reisende ständig in ihr Handy sagen, so laut, dass alle mithören müssen, dann wünscht man sich Züge, in denen Funkstille herrscht.

Alle haben das Bedürfnis mitzuteilen: ich bin in Verona, dann in Rovereto, dann in Trento. Neulich höre ich in einem Lokal ein Gespräch mit. Eine offensichtlich besorgte Mutter rief ihren Sohn an, er möge nicht zu spät heim kommen und nicht zu viel trinken. Antwort des Sohnes: Mama, geh mir nicht auf die Eier. Damit war das Gespräch beendet. Das sind neue Formen der Kommunikation.

Wie anders war das Telefonieren in einer Telefonkabine!

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