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Grauen im Schloss  

„Man durfte nicht reden“ wird immer wieder gesagt in diesem Dokumentarfilm, der eine grauenhafte Geschichte erzählt.

von Renate Mumelter

„Tote lügen nicht – Der Mord an psychisch Kranken im Dritten Reich“ begleitet  die Gräberfunde auf dem ehemaligen Friedhof neben der Psychiatrischen Anstalt in Hall. Zwischen 1942 und 1945 starben hier über 200 Menschen direkt, Tausende wurden auf Umwegen umgebracht. Die Todgeweihten galten als „unwertes Leben“, weil sie blind waren zum Beispiel oder mit Downsyndrom, weil sie hinkten oder an einer Depression litten, die wieder abgeklungen wäre. Den Nazis waren diese Menschen zu teuer, deshalb wollten sie sie möglichst kostengünstig los werden. Das geschah in Grafeneck, Hartheim, Niedernhart, in stattlichen Ansitzen, Schlössern, in denen es sich gut wohnen ließe, wüsste man nicht um das Grauen, das sich hier zugetragen hat. Über 70.000 Menschen wurden innerhalb von nur zwei Jahren „entsorgt“. Heute arbeiten Historiker, Archäologen und Anthropologen dieses Grauen immer noch auf. Heinz Fechner und Bertram Wolf haben die Aufarbeitung am Beispiel Hall in Tirol von Anfang an filmisch begleitet.

In „Tote lügen nicht“ werden Dokumente gezeigt, in denen mit schöner Schrift verzeichnet ist, wer wann in eine andere Anstalt überstellt und dort ermordet wurde. Es gibt Namenslisten, auf denen ein einfacher Bleistifthaken Überleben, ein rotes Farbkreuz Sterben bedeutet. Obwohl es nicht viel mehr zu zeigen gibt als Papiere und Knochen, gelingt es dem Film zu berühren. Die wenigen historischen Filmausschnitte, die das Leben in der Anstalt  dokumentieren, beeindrucken besonders. Die Frau an der Nähmaschine hat einfach nur zu kurze Arme, aber genau deshalb ist sie in der Anstalt gelandet mit allen Konsequenzen. Beeindruckend auch die Schilderungen von Nachfahren und Zeitzeugen, vor allem, wenn diese sich trauen, ihre Gefühle zu zeigen, wie es Paul Hildgartner tut, den der Tod seines Verwandten noch immer mitnimmt. Beeindruckend auch, dass allen Zeitzeugen – damals noch Kinder – das kollektive Schweigen  in Erinnerung geblieben ist. Oft wäre Reden Gold. Nur der Epilog zum Thema Euthanasie allgemein hätte in dieser Form nicht sein müssen.

Tote lügen nicht (AT, 2014), 85 Min., Regie: Fechner, Wolf,  Bewertung: Stille Dokumentation

Sehen Sie sich den TRAILER an.

Was es sonst noch gibt:
„Il nome del figlio“ von Francesca Archibugi 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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