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Nicht mehr zeitgemäß?

Für den Uni-Professor Pietro Beritelli sind die Tourismus-Organisationen nicht mehr zeitgemäß. Sie würden heute zu viele Aufgaben übernehmen, die nicht ihrem eigentlichen Auftrag entsprechen. Und die Kosten explodieren. 

von Heinrich Schwarz

Oswin Maurer war etwas überrascht: „Ich wusste nicht, dass Destinationsmanagement derzeit so ein heißes Thema ist“, sagt der Wirtschaftsprofessor an der Uni in Bruneck. Mit seinem „Tourismus Management Club“, der bei öffentlichen Veranstaltungen immer wieder aktuelle Themen aufgreift, hat er am Dienstag den renommierten Tourismus-Professors Pietro Beritelli eingeladen.

Durch den spannenden Titel seines Vortrages lockte Beritelli über 100 Experten aus der Südtiroler Tourismus-Branche ins Raiffeisen Forum nach Bruneck: „Brauchen wir die Tourismus-Organisationen?“

Beritelli, der an der Universität in St. Gallen tätig ist, befasst sich seit mehr als 20 Jahren mit dem Destinationsmanagement. Die Destination Südtirol konzentriert sich bekanntlich vor allem auf den Bergtourismus und den Wintersport, wobei es je nach Gebiet leichte Unterschiede gibt. Für die entsprechende Vermarktung der Angebote in Südtirol sind die verschiedenen – und grundsätzlich als wichtig angesehenen – Tourismus-Organisationen zuständig.

Doch Pietro Beritelli stellt sich die Frage: „Sind diese Organisationen in der jetzigen Form noch zeitgemäß?“ Seiner Meinung nach befinden sie sich in einem Teufelskreis, der sich aus mehreren Eigenschaften zusammensetze: Vereinfachten Grundannahmen, unspezifischen Aktivitäten, einseitigen Kompetenzen – gepaart mit heikler Finanzierung und unwirksamer Corporate Governance.

„Teil dieses Teufelskreises ist auch, dass es Tourismus-Organisationen allen Recht machen wollen. Dies führt dazu, dass sie zu viele Aufgaben übernehmen, die eigentlich nicht ihrem Auftrag entsprechen. Die dabei entstehenden Kosten kann die Organisation meist nicht selbst tragen“, so der renommierte Professor.

Man konzentriere sich nicht mehr auf die Kernaufgaben, merkt Oswin Maurer in Anlehnung an Pietro Beritelli an. Ursprünglich hätten sich die Organisationen selbst finanziert. „Mittlerweile wurden die Budgets immens ausgeweitet – und das ohne klare Zielstellungen“, erklärt Maurer. Man müsse sich wieder auf das fokussieren, was man tatsächlich leisten kann.

Laut Beritelli sollen die Tourismus-Organisationen in Zukunft nur mehr ganz bestimmte Aufträge übernehmen, sich auf sogenannte strategische Besucherströme konzentrieren und Destinationen nicht mehr im herkömmlichen Sinn vermarkten.

Bei den ganzen Werbeausgaben solle eines nicht unterschätzt werden: „Mundpropaganda ist die authentische Werbung für eine Region – und nicht teure Broschüren, Imagefilme und Plakate. Insbesondere dann, wenn Destination als Sammlung von persönlichen Erlebnissen und Erfahrungen verstanden wird“, erläutert Pietro Beritelli.

Der Experte hat noch weitere Ratschläge an die Tourismus-Organisationen: „Die strategischen Besucherströme stellen den wichtigsten Ausgangspunkt dar, um eine Destination zu steuern und zu vermarkten. Sie weisen einen eigenen Nachfrage-Angebots-Mechanismus auf und sie sind planbar, steuerbar und nachhaltig erneuerbar.“

Die Verbände, Vereine usw. sollen also nicht aus dem Gefühl heraus Angebote schaffen, sondern sich die Anforderungsprofile und die Vorlieben der Gäste detailliert ansehen. Es geht somit um die Nachfrageorientierung anstelle der Angebotsorientierung.

„So kann ein Mehrwert für die Destination geschaffen werden. Und die Tourismus-Organisationen sollen die verfügbaren Gelder spezifisch und nur für ganz bestimmte Aktivitäten einsetzen“, so Pietro Beritelli

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