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Eiskalte Romantiker

 Dietmar Gamper mit der Schallplatte "Winterreise": Wir leben in einer Zeit, in der man permanent in sein und bei super Laune sein sollte, selbst wenn uns innen und aussen friert. (Fotos: Linda Röhr)

Dietmar Gamper mit der Schallplatte „Winterreise“: Wir leben in einer Zeit, in der man permanent in sein und bei super Laune sein sollte, selbst wenn uns innen und aussen friert. (Fotos: Linda Röhr)

Dietmar Gamper hebt auf dem Vigljoch bei Lana und im Bergbaumuseum Ridnaun die ersten Südtiroler Winterfreilichtspiele aus der Taufe. Seine Tiefschneeoper basiert auf Schuberts Liederzyklus „Die Winterreise“, Michael Lösch hat die Musik für die Band Revensch neu arrangiert.

Tageszeitung: Herr Gamper, Freilichtspiele im Sommer sind ein alter Hut. Veranstalten Sie deshalb die ersten Südtiroler Winterfreilichtspiele?

Dietmar Gamper: Ja, genau.

Was hat Sie auf die eiskalte Idee gebracht, unter freiem Winterhimmel zu spielen?

Der Schubert,- und seine eiskalte Idee die Winterreise zu schreiben.

Muss man sich auf gefrorene Füße einstellen?

Gefrorne Tränen sind´s in der Winterreise, also etwas sollte schon gefrieren, aber wenn man sich schafwollene Socken anzieht sicher nicht die Füße.

Wo finden die Winterfreilichtspiele statt?

Auf dem Vigiljoch auf 1742 Meter über dem Meer, bei einer Ruine am verlassenen Gasthaus Seehof und im Ridnauntal im Bergbaumuseum Schneeberg… also an lauschig wohligen Orten.

Auf dem Programm steht „Die Winterreise“ von Franz Schubert nach Texten von Wilhelm Müller. Nicht gerade ein Après-Ski-Hit.

Genau das ist es, was wir wollen. Wir leben in einer Zeit, in der man permanent in sein und bei super Laune sein sollte, selbst wenn uns innen und aussen friert. Aber dabei sein und wenn´s geht lustig. Ich möchte mit dieser Winterreise den Leuten etwas bieten, die auch ganz gern mal a bißl traurig und nachdenklich sind, wenn die Zeit dafür ist. Um Spaß zu haben und lustig zu sein ist der Sommer da, lasst uns doch auch a bißl Zeit zum Sentimentalsein, wenigstens im Winter!

Liebesleid, Weltschmerz und Einsamkeit sind die Motive des Liederzyklus. Erwartet uns großes Gefühlstheater?

Ja.

Michael Lösch am Harmonium, Heribert Haider mit Noten, Dietmar Gamper: In Sachen Überwachung war Metternich im Vergleich zur heutigen Zeit ein Waisenknabe.

Michael Lösch am Harmonium, Heribert Haider mit Noten, Dietmar Gamper: In Sachen Überwachung war Metternich im Vergleich zur heutigen Zeit ein Waisenknabe.

Was sagt Ihnen das ozeanische Seelenvibrieren und Unendlichkeitssehnen der Romantiker?

Dass wir immer noch Romantiker sind, denn was täten wir lieber als mit allem mitzuschwingen, – mit allem im Fluss zu sein, und die Endlichkeit, wenn wir ehrlich sind, macht uns doch alle früher oder später zu schaffen. Also die Winterreise ist etwas für Romantiker und auch Träumer.

„Fremd bin ich eingezogen, / Fremd zieh´ ich wieder aus“ lautet Müllers schönste Zeile. Ist das die Botschaft des ganzen Abends?

Nein. Es kennen nur die wenigsten mehr als diese ersten Zeilen, – vielleicht noch den „Lindenbaum“. (Am Brunnen vor dem Tore…) Aber diese Leute vor zweihundert Jahren haben da verdammt viel Zeug hineingschrieben, das heute wieder erschreckende Aktualität kriegt.

Was ist an der Winterreise aktuell?

Als die Winterreise geschrieben wurde, litt die Bevölkerung unter Resignation und Depression im Polizeistaat Graf Metternichs. Heute wird es immer schwerer neue Wege zu gehen, durch Bürokratie und Gesetzte die angeblich zu unserer Sicherheit sind. Dafür müssen wir auf den ausgetrampelten Wegen immer kräftiger trampeln bis zum Burnout. Und in Sachen Überwachung war Metternich im Vergleich zur heutigen Zeit ein Waisenknabe. Ich sehe immer mehr Resignation und Depression unter den Leuten. Am eindringlichsten wird das im Lied „Letzte Hoffnung “ klar, eine meiner Lieblingsstellen.

Gibt es auch eine szenische Übersetzung oder bleibt es bei der klassischen Vortragssituation?

Es ist eine szenisch Umsetzung, – eine Oper eben, also ein Musiktheater. Schon allein weil es zwei Figuren sind, die im Dialog sind: Die Figur, die der Sänger Heribert Haider übernimmt und die andere, die von mir gesprochen wird. Wir tun uns sogar die Arbeit an, auf gefrorenem Boden eine Hütte als Bühnenbild aufzubauen, damit uns die Musiker nicht erfrieren.

Was haben Sie an den Texten verändert?

Ich habe ihn übersetzt in eine Sprache und eine Situation, die der heutigen Zeit entspricht. Und doch habe ich auch sehr vieles im Original belassen. Diese Stellen werden vor Heribert gesungen und ich habe daraus eine Geschichte gebaut, die ja dem Original gänzlich abgeht. Ich habe also das ergänzt, was es für eine Oper braucht, was Wilhelm Müller in seinem Text vergessen hat.

Michael Lösch hat Schuberts Musik modernisiert und für die Band Revensch arrangiert. Für Klassikfans kommt das einem Sakrileg gleich.

Wir möchten ja nicht nur Klassikliebhaber ansprechen, die kennen die Winterreise eh. Aber dem Michl Lösch ist es mit seiner Band, glaub´ ich, gelungen, die Schönheit dieser Musik einem heutigen Ohr nahezubringen.

Der Abend ist als Tierschneeoper angekündigt. Was, wenn es nicht schneit?

Im Theater kann man alles behaupten.

Interview: Heinrich Schwazer

 

 

Die Winterreise – Eine Tiefschneeoper

Die ersten Südtiroler Winterfreilichtspiele finden auf dem Vigljoch bei Lana und im Bergbaumuseum Ridnaun statt.

„Die Winterrreise“ von Franz Schubert, nach Texten von Wilhelm Müller, ist der wohl bekannteste romantische Liederzyklus über Liebesleid, Verbitterung, Weltschmerz und die Flucht in die Einsamkeit. Der Regisseur Dietmar Gamper hat diesen Text bearbeitet und mit dem Sänger und Schauspieler Heribert Haider als Tiefschneeoper inszeniert. Die Musik Schuberts wurde von Michael Lösch modernisiert und für die Band Revensch arrangiert. Aufgeführt wird dieser klassische Stoff im Rahmen einer aussergewöhnlichen Inszenierung unter freiem Winterhimmel, wobei dem Publikum in idyllischen kleinen „Schneelogen“ Platz geboten wird.

Termine: Premiere ist am 17. Jänner. Weitere Auffführungen am 24, 25. Jänner jeweils um 17.00 Uhr am Vigiljoch, Lana. Am 31. Jänner, sowie am 1., 7., 8. Februar im Bergbaumuseum Schneeberg, Ridnau. Kartenreservierung: Vigiljoch, Lana…..Tel. 0473-56 13 33, Bergbaumuseum Schneeberg, Ridnaun…..Tel. 0472-65 63 64

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