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Die Frau des Jahres

Martha Stocker hat mit ihren Reformplänen polarisiert – für die einen ist sie die Totengräberin der Kleinspitäler, für die anderen die eiserne Lady, die Probleme löst und nicht schönredet.

von Artur Oberhofer

Es stört sie keineswegs, mit Margareth Thatcher verglichen zu werden. Im Gegenteil. Martha Stocker kokettiert inzwischen mit dem Image der „eisernen Lady“, sie zelebriert dieses Charakterbild, weil sie weiß: Neid muss man sich hart erarbeiten.

Thatcher-Zitate wie: „Es ist nicht Sache eines Politikers, allen zu gefallen“ könnten von Martha Stocker stammen.

Martha Stocker ist ohne Zweifel die (politische) Frau des Jahres 2014. Sie hat insbesondere mit ihren Reformplänen im Gesundheitsbereich polarisiert. Martha Stocker ist für die einen die Totengräberin der Kleinspitäler, für die anderen die beinharte Macherin, die sich in Arno Kompatschers Kabinett der Zauderer, Schön- und Vielredner wohltuend abhebt – weil sie Probleme anpackt und nicht auf die lange Bank schiebt.

Es ist kein Zufall, dass Arno Kompatscher die 1954 im Sternzeichen des Widders geborene Martha Stocker mit der gleichwohl schwierigsten wie undankbarsten politischen Aufgabe zwangsbeglückt hat. Martha Stocker wäre viel, viel lieber Bildungs- und Kulturlandesrätin geworden.

Doch als absolut loyale und disziplinierte (Partei-)Soldatin, die sie zeit ihres politischen Lebens immer war, hat Martha Stocker die Kröte geschluckt – und ist die vom Landeshauptmann verordnete Zwangsehe mit einem großen, aber undankbaren Ressort eingegangen.

Allein schon ihrer medialen Omnipräsenz wegen steht Martha Stocker der Titel „Frau des Jahres“ zu.

Nach ihrem ausgezeichneten Vorzugsstimmenergebnis bei den Landtagswahlen 2013 (über 21.000 Stimmen und Rang 4 auf der SVP-Liste) war klar, dass sie ein Super-Ressort bekommen würde. Arno Kompatscher hat Martha Stocker dann unter dem klingenden Sammelbegriff „Ressort für Wohlfahrt“ einen Riesen-Verantwortungsbereich zugewiesen: Gesundheit und Sport, Sozialwesen und Arbeit.

Es kam bereits mehrmals vor, dass Martha Stocker in einer einzigen Nachrichtensendung vier Mal in Ton und/oder Bild „erschien“. Martha Stocker – die Frau fürs Grobe. Überall wo ein Rauch aufgeht, ist die Stocker (zuständig).

Wenn es um die Daten zu den HIV-Neuinfektionen geht, ist sie die politisch Verantwortliche, wenn die Mindestrentner über ihre mageren Pensionen klagen oder die Sozialverbände schimpfen, weil ihnen die öffentlichen Beiträge gekürzt werden, ist Martha Stocker die Adressatin. Wenn es um den Doping-Fall Taschler oder um gestrichene Beiträge für Sportvereine geht, ist Martha Stockers Meinung als Sport-Landesrätin gefragt.

Und wenn in Südtirol wieder einmal ein größeres Unternehmen schließt oder Mitarbeiter entlässt, muss Martha Stocker als Landesrätin für Arbeit in den Ring steigen, Trost spenden und den Eindruck vermitteln, die Politik habe alles im Griff.

Martha Stocker begann ihre politische Karriere in den kulturpolitischen Vorhöfen der Macht. Die Oberschullehrerin aus Kematen in Taufers fuhr von Beginn an einen eigenwilligen Kurs: Martha Stocker profilierte sich als Volkstumspolitikerin mit einer starken kulturellen (und bildungspolitischen) Schlagseite. Den Grünen war die Kulturpolitikerin Martha Stocker immer zu rechts, aber sie schätzten ihre Klugheit.

Den Rechten wiederum war Stocker zu pragmatisch.

Martha Stocker schuf sich, fernab der parteiinternen Lobbys und mit viel Fleiß, ihre eigene politische Daseinsberechtigung: Die Marke Stocker steht für politische Leidenschaft, für Verlässlichkeit – auch für Herzlichkeit. Legendär sind Martha Stockers handgeschriebene Weihnachtsglückwünsche.

Weil ihr, ähnlich wie Eva Klotz, die positiven Tugenden des Idealismus und der Uneigennützigkeit anhaften, ist Martha Stocker vom Politiker-Rentenskandal nur gestreift worden – obwohl Insider um ihre Nähe zu Gottfried Tappeiner und anderen ArchitektInnen des unseligen Gesetzes wissen.

Martha Stocker arbeitete sich zu einer politischen Ich AG hoch. Der Gesellschaftszweck: Hart aber herzlich.

Martha Stocker ist eine Grenzgängerin. Das war sie als Kettenraucherin, das ist sie als Politikerin.

Als ihr der liebe Gott – ausgerechnet auf dem Jakobsweg! – eine Warnung in Gestalt eines Magendurchbruchs schickte, gab sie das Rauchen auf – aber nicht die Politik. Die Enttäuschung, nicht das Kultur-Ressort zu bekommen, hat sie geschwind überwunden. Indem sie sich mit Arbeit zuschüttete.

Martha Stocker kniete sich nach ihrer Ernennung zur Gesundheits- und Soziallandesrätin in ihren neuen Job hinein. Ihr war bewusst: Die Reform, die ihr Vorgänger Richard Theiner so elegant ausgesessen hat, weil er sich nicht selbst das politische Grab schaufeln wollte, würde sie nun durchziehen müssen.

Martha Stocker hat wochenlang Akten gewälzt, sie hat studiert, bis sie wusste, was richtig ist.

Jawohl. „Ich mache das, was richtig ist.“ Das ist Martha Stockers politisches Leitmotiv. Seit jeher.

Sie ist Überzeugungstäterin. Wenn sie von einer Idee oder von einem Projekt überzeugt ist, dann zieht Martha Stocker dies durch. Ohne Rücksicht auf Verluste.

Ein einschneidendes Ereignis waren für Martha Stocker die „Mahnwachen“ in Sterzing und in Innichen. In Sterzing musste sie sich auf übelste Art und Weise beschimpfen lassen. Aber noch mehr schmerzte Martha Stocker der Umstand, dass Eltern ihre Kinder und sogar Behinderte im Rollstuhl vorgeschoben haben.

In Sterzing zog sich Martha Stocker fünf Minuten lang in ein Zimmer zurück, engste Vertraute berichten, dass die Landesrätin geweint habe. So fertig sei sie gewesen. Sie selbst dementiert im Nachhinein die Tränen, sie sagt, sie habe „nur ein bisserl durchschnaufen“ müssen.

Doch nach Sterzing war plötzlich alles anders.

Die Stimmung im Lande war irgendwie gekippt. Die Wut-Orgie hatte einen Solidarisierungseffekt (zugunsten von Martha Stocker) zur Folge. Kritik gehe schon gut, so die vorherrschende Meinung, aber die Landesrätin als „H …“ zu verunglimpfen, das gehe zu weit. Die Art und Weise, wie Martha Stocker den Wutbürgern gegenübergetreten ist, hat ihr viele Sympathien eingebracht.

Und urplötzlich wechselte auch das Tagblatt der Südtiroler die Fronten. Die „Dolomiten“ unterstützen seither die Stocker-Reform voll. Martha Stocker ist eine begnadete Netzwerkerin. Der Kehrtwende des Tagblattes liegt ein geheimes Woman-Agreement zugrunde– „Martha mit Martha“, so lautet die Formel, die aus dem Weinbergweg kolportiert wird.

Martha Stockers mütterliche Freundin Martha Ebner hat durchgesetzt, dass die Zeitung die Stocker-Reform unterstützt.

Martha Stocker sagt dazu nichts. „Martha und Martha? Ach so?! Das sagt man?“

An Martha Stocker haben sich bereits viele männliche Kollegen die Zähne ausgebissen. Werner Tschurtschenthaler, der Bürgermeister von Innichen, nannte Stocker mehrmals ein „stures Weib“, in der Meinung, er könne ihr die Schneid abkaufen.

Aber auch er konzediert inzwischen: Martha Stocker habe Stehvermögen, sie sei kompetent. In der Peripherie hat man sich wohl oder übel damit abgefunden, dass die Geburtenabteilungen geschlossen werden.

Indirekt wird „die Martha“, wie sie innerhalb der Partei gerufen wird, nun zur Belastungsprobe für eine Männer-Freundschaft – jene zwischen Arno Kompatscher und Philipp Achammer.

Während Arno Kompatscher (als Wirtschafts-Landesrat) die Reformpläne Stockers voll und ganz unterstützt, dies aus Opportunitätsgründen nur nicht so laut sagt, hat SVP-Chef Philipp Achammer längst kalte Füße bekommen.

Es könnten, in den nächsten Wochen, zwei verschiedene Auffassungen von Politik-Machen zusammenprallen. Da ist auf der einen Seite Martha Stocker, die – wie weiland eine Margareth Thatcher – ein Projekt, von dem sie hundertprozentig überzeugt ist, k knallhart durchzieht, auch wenn es nicht allen gefällt.

Margareth Thatcher hatte gesagt: „Es ist nicht Sache eines Politikers, allen zu gefallen.“

Auf der anderen Seite steht Philipp Achammer, der viel harmoniebedürftiger ist als Martha Stocker, der mit den Maikäfern stundenlang über Transparenz und Seelenleben diskutieren könnte, wenn denn die Käfer wahlberechtigt wären.

Philipp Achammer fürchtet sich vor dem Aktionismus der Martha Stocker und wird sie als Parteichef beknien, sie möge doch einen Plan B finden, damit er, der Parteichef, seine Leute bis nach den Gemeinderatswahlen bei Laune halten kann.

Es wird spannend sein zu beobachten, inwieweit Arno Kompatscher und Philipp Achammer die eiserne Lady tun und walten lassen. Es wird spannend sein zu sehen, wie der Landeshauptmann reagiert, wenn der SVP-Obmann die Landesrätin zurückpfeifen sollte.

Martha Stocker hat bereits klargestellt: Sie habe „einen klaren Auftrag“ (von Kompatscher) und „einen langen Atem“.

Wer den Widder in Martha Stocker kennt, der weiß, dass dies mehr als nur eine Drohung ist.

Margareth Thatcher hat die Kunst des Wartens auf den richtigen Augenblick so formuliert: „Ich bin außerordentlich geduldig – vorausgesetzt, ich bekomme am Ende, was ich will.“

Der Satz könnte von Martha Stocker stammen.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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